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Hand aufs Herz

Pierre am 11.01.2003

Wer hat bereits einmal das Treiben in Einkaufszentren beobachtet? Ein schreckliches Bild, was sich einem darstellt.

Vor allem die Leute die vergnügt durch die Reihen von fünf Schuhläden, drei Strumpfhosen- und mindestens dreizehn Jackenläden schlendern. So schlecht kann es unserer Konsumwelt gar nicht gehen. Wo ist der heraufbeschworene Konsumfrust??

Die schönsten Szenen in kaufhäusern sind noch immer die des Mannes in der Unterwäscheabteilung für Frauen und die über das Wetter tratschenden Verkäuferinnen. Da geht einem doch das Herz auf.

Beste Konsumwünsche für das neue Jahr,

Pierre.

Yves am 11.01.2003

> Einkaufszentren beobachtet? Ein schreckliches
> Bild, was sich einem darstellt.

Ich finde es nur schrecklich, selbst einkaufen gehen zu müssen! ;-)

> So schlecht kann es unserer Konsumwelt
> gar nicht gehen. Wo ist der
> heraufbeschworene Konsumfrust??

Womöglich wird er von den Leuten heraufbeschworen, die gut mit Geistern können. Was ich vielmehr glaube ist, dass die Konsumlust vieleher aus allgemeinem Frust resultiert. Das dürfte jedem bekannt sein: ein Neuerwerb steigert meist wieder die Stimmung. (Frauen legen sich oft eine neue Garderobe zu wenn es ihnen schlecht geht. Und siehe: sie werden wieder umgänglich!)

Das Konsumtreiben, das du beobachtet hat, schließt vielleicht auf meine Annahme: dass die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird. Vermögende und vor allem Neureiche werden immer konsumieren, ungeachtet der wirtschaftlichen Lage (Sachwerte = Status). Gegenteilig ist natürlich auch der Trend beobachtbar, dass gerade diejenigen viel kaufen, die eigentlich kein Geld dafür haben[1].

Aber womöglich beobachtest du auch an einem falschen Ort: Kaufhäuser sind immer voll -- sie haben immerhin Geld, sich Marketingexperten zu leisten. Wie du eventuell gelesen hast, steht Deutschland kurz vor einer Deflation .

Yves
____
[1] Meine jüngste Erfahrung an Silvester: die Viertel meiner Stadt, die als "heruntegekommen" gelten, verschossen das meiste Feuerwerk. Im "Villenviertel" 600 Meter weiter so gut wie NICHTS.

Pierre am 15.01.2003

Nun, dieses von dir beschriebene Bild bot sich einem durchaus auch in Berlin. Was ich von meinen Bekannten gehört habe, mich nicht weiter verwundert, da bereits selbst erlebt, verknallt man in Bezirken wie Kreuzberg und Neukölln das meiste.

Sicherlich ist eine Kluft zwischen Reich und Arm vorhanden, ob sich diese jedoch ausweitet, mag ich derzeit nicht zu beurteilen. Noch stehen unsere Sozialsysteme, sodass sich diese Kluft (offiziell ist es keine) stets ausbalanciert.

PS: Du hast doch nicht die Smilies selbst gemacht, oder? =) Bitte nicht! Sag mir nicht, dass du auch noch Spaß am Zeichnen hast. ;-)

Grüße, Pierre.

Forum ist schon sehr dolle.

Firedancer am 15.01.2003

Das was ich mit dem Konsumfrust und der "schlechten finanziellen Lage der Nation" verbinde und was mich völlig aufregt hab ich vorgestern in einer S-Bahn in Fleisch und Blut beobachtet. 5 junge Frauen die ne halbe Stunde lang (den New Yorker´s Einkaufstüten zufolge nach ner kräftigen Shoppingtour) wettjammern und all die Preiserhöhungen herziehen.
Meine Aufregung soll nicht heißen, dass es in Deutschland keine Armut gibt, denn diese Behauptung wäre schwachsinnig.
Nur regt mich dieses gejammere das keinesfalls von den Leuten kommt den es zusteht sich zu beklagen auf und so langsam krieg ich auch den Trip und bejammere mich selbst wenn ich mir mal eine CD weniger leisten kann ohne dran zu denken wie heuchlerisch es ist weil währenddessen woanders Menschen verhungern.

Pierre am 16.01.2003

Nun, ähnliches erlebte ich auch bei meinem letzten Trip durch ein großes Einkaufszentrum in Berlin. Ich zähle mich wohl zu den Existenzialisten und kaufe hier mal Butter, da zwei Packungen Milch und unter Umständen auch mal eine 10er Packung CD-Rs.

Nun war ich nicht alleine unterwegs, sondern in Begleitung der Weiblichkeit. Wie diese es so nun einmal gewohnt ist, muss diese auch in Kleidungsgeschäfte pilgern.. Während sie also seltsam anmutende Klamotten anprobierte, hörte ich den Verkäuferinnen zu, wie sie sich über ihre finanzielle Lage unterhielten.

Nun, wer in einem 250 Quadratmeter Geschäft arbeitet, in dem nur elf verschiedene Kleidungsstücke zum Verkauf stehen und gekleidet ist wie das große Establishment, dürfte sich eigentlich nicht der ohnehin unangemessenen Trauer über die eigenen Finanzen hingeben.

Zumal sich diesen Leuten sicher nicht die Frage zwischen Sonntagsbraten oder Winteranorak für das Kind stellt. Diese Menschen sehen es als kompliziert an, sich zwischen den Malediven und der DomRep als Zweitjahresurlaubsziel zu entscheiden, während andere bestenfalls die Chance des Wechselns des Hotels an der Ost- oder Nordsee haben.

Es gibt keinen fassbaren Konsumfrust. Die wirtschaftliche Lage und -Kraft ist alles andere als desolat, wie von zahlreichen Miesmachern beschrieben.

Grüße, Pierre.

Yves am 17.01.2003

> Sicherlich ist eine Kluft zwischen Reich
> und Arm vorhanden, ob sich diese
> jedoch ausweitet, mag ich derzeit
> nicht zu beurteilen.

Ich will sie in Ansätzen belegen: einerseits laufen die Geschäfte der Luxushersteller immer besser, sie haben einen erhöhten Kundenzulauf. Auf der anderen Seite erlebt der Absatz an Billigstartikeln Höchststände[2]. Die Zahl der Reichen (Wachstum jährlich etwa bei 5 Prozent) und Armen nimmt seit 1948 zu. Die Schicht "dazwischen" beginnt sich aufzulösen . .

> Noch stehen
> unsere Sozialsysteme, sodass sich
> diese Kluft (offiziell ist es
> keine) stets ausbalanciert.

Würde mich wundern, wenn das offiziell wäre -- offiziell steht es um die Arbeitslosen auch nicht schlecht ;-) Aber sag das bitte den Menschen, die mit weniger als 1.000 EUR im Monat auskommen müssen[1] . (Wer sagt, dass sie schreien, wenn es ihnen schlecht geht? Ein finanziell gebeutelter Mensch hat meist nicht mehr die Kraft resp. den Mut dazu .)

> PS: Du hast doch nicht die Smilies
> selbst gemacht, oder? =)

Nein, die sind das Einzige an diesem Forum, das nicht Marke Eigenbau ist. Ich werde aber vermutlich gegen Frühjahr eigene erstellen. Falls es jemand aus der Redaktion gelüstet kann er sich gerne "verkünsteln" .

> Sag mir nicht, dass du auch noch Spaß am
> Zeichnen hast. ;-)
Mir bereitet Zeichnen sogar sehr viel Freude.

Grüße, Yves
_______
[1] Sehr erträglich als Alleinlebender, nur richte ich den Blick lieber auf die Menschen, die wirklich etwas leisten: Alleinerziehende mit zwei, drei Kindern
[2] Wohlgemerkt: Wohlverdiente Reiche mit Verstand kaufen sicher heute noch bei Aldi ein. Nur versiegt der Strom prassender Neureicher nicht .

Pierre am 17.01.2003

Wie definierst du reich? Vielleicht ist das ungewöhnliche Aufkommen von Sozial Stärkeren auf diese neumodischen Quiz-Shows zurückzuführen. Gott, dass wir das noch erleben dürfen.

Nein, sicher gibt es eklatante Probleme in diesem Land, aber man möge sich auch weiter umsehen und Blicke ins Ausland riskieren. Ein Totschlagargument, ich weiß, aber wenn man sich mit den Problemen anderer auseinandersetzt.

1000 EUR netto? Gut, das ist allerdings genug um damit leben zu können, meine ich. Ein solides Sozialsystem kann man nur dann aufbauen, wenn der Sozialausgleich reibungslos stattfindet. Wir befinden uns in einem Teufelskreis, dem Deutschland derzeit nicht entschwinden kann. Ist die Wirtschaft schwach, der Konsum rückläufig, funktoniert der Sozialausgleich auch nicht. Eine Vermögensteuer wäre aus diesem Grunde eine durchaus vernünftige Lösung gewesen (!). Rund 15 Milliarden EUR jährlich mehr in den Kassen würden schon helfen. Ein Stichwort, was man in dem Kontext erwähnen sollte ist Umschichtung. Aber davon weiß weder rot-grün, noch gelb, schwarz, blau und dunkelrot nichts.

Die Kluft kann auch nur dann geschmälert werden, wenn man gerecht versteuert. In dieser Hinsicht sind die aktuellen Aktionen von rot-grün Gift für die proklamierte soziale Gerechtigkeit. In diesem Zusammenhang ist die beschlossene Beitragsbemessungsgrenze zu tief. Die soziale Marktwirtschaft geht unaufhörlich den Bach runter.

Prost Mahlzeit. Vielleicht sollten wir den Begriff "Stamokap" neu prägen? ;-)

Grüße,
Pierre


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