C6 MAGAZIN
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INTERVIEW 5.6.2002

Interview mit einer Überlebenden

Ich durfte Sina* interviewen. Bei einem Gespräch im Vorfeld hat sie mir ihre Geschichte erzählt. Außerdem haben wir geklärt, was ich hier fragen darf und was veröffentlicht wird.
Wie hast Du Deine Kindheit erlebt?
Kindheit kann man das wohl nicht nennen, wenn man von so einem Schwein angefasst wird. Okay, es gab auch Dinge, die ganz in Ordnung gelaufen sind. Aber die hab ich so gut wie vergessen.

Wie alt warst Du, als er Dich angefasst hat?
Ich war neun.

Wie lange ging das?
Bis ich meine Sachen gepackt hab und abgehauen bin. Da war ich so 13. So um den Dreh.

Wo bist Du hin?
Hab überall gepennt. Auf der Straße und so. Als ich dann das erste Mal schwanger war, bin ich aufs Sozi gegangen und habe mir eine Wohnung gesucht.

Wie alt warst Du da?
19.

Was hast Du in der Zeit gemacht? Das waren ja etwa sechs Jahre.
Gute Frage. (lacht laut auf) Gebettelt. Geklaut. Was man halt so macht, um was in den Magen zu bekommen.

Hast Du Dich auch prostituiert?
Nicht für Kohle.

Für was denn?
Also das war so… Ich hab mir immer eingebildet, ich wäre mit den Typen zusammen. Große Liebe und so. Aber dann hab ich gemerkt, dass ich für einen Schluck Alk alles machen würde.

Du warst also alkoholkrank?
Ich bins immer noch.

Deshalb leben Deine Kinder auch nicht bei Dir?
Mein Sohn ist im Heim. Meine Tochter bei ihrem Vater. Die Beziehung hat nicht geklappt.

Also das war eine richtige Beziehung?
So richtig war sie wohl nicht. Aber das war mal ein ganz normaler Mensch.

Woran ist es gescheitert?
Ich bin fast jeden Tag ausgerastet.

Belastet Dich Deine Kindheit noch heute?
Belasten ist gar kein Ausdruck. Ich bin fix und fertig mit den Nerven.

Was tust Du, um das Problem in den Griff zu bekommen?
Erstmal das, was alle machen. Ausbildung. Einen Job suchen. Dann mal sehn.

Machst Du eine Therapie?
Nein.

Wieso nicht?
Weiß ich nicht. Bin ja erstmal hier.** Mal schaun, wies weitergeht.

Hast Du mal jemandem davon erzählt?
Ich hatte ja keinen. Bin bei meinem Onkel aufgewachsen. Aber ich habe mir mal versucht, das Leben zu nehmen. Und da muss ich noch großartig sagen, dass was nicht stimmt?

Hast Du ihn mal wieder gesehen?
Nein.

Hasst Du ihn?
Ja.

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* Name von der Redaktion zum Schutz geändert. Die richtigen Daten liegen mir vor. Auch zwei Arztbriefe vom Krankenhaus wurden mir gezeigt.

** hier = Beratungsstelle für sexuell missbrauchte Frauen.
__________

Literaturtipps:
"Zart war ich, bitter war´s" von Ursula Enders
"Sexueller Missbrauch an Mädchen" von Rosemarie Steinhage

Adressen:
Wildwasser Berlin e.V., Dirckensenstr. 47, 10178 Berlin
Notruf und Beratung, C1,4, 68159 Mannheim (0621-10033)

Diese Organisationen geben auch Auskünfte über Beratungsstellen in Ihrer Nähe.
rk
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Artikel vom 5. Juni 2002

Kommentare über Interview

Bernd am 21.07.2005:
Ich hatte bis vor kurzem eine Fernbeziehung mit einer Frau die als Kind andauernd vom Vater sexuell missbraucht wurde. Ihr könnt Ihre Geschichte nachlesen unter ww.traenchen.de
Ich war mir nicht bewusst darüber dass ich, als wir uns nunmehr 4 Monate nicht gesehen hatten und ich begann ihr Vorhaltungen wegen ihrer, wie ich meinte zögerlichen Art, zu machen - in Wirklichkeit vermisste ich sie einfach nur so sehr,und löste damit, mit meinen Vorhaltungen genau das aus, wovon ich jetzt erst erfahren habe wie es vergewaltigende Väter machen, nämlich: "Wenn Du was erzählst von unserem Geheimniss, dann kommt der Papa fort, alle haben nix mehr zu essen, und keine Wohnung mehr,-und DU Bist SchulD!"

Gott, wie furchtbar gemein und elend. Meine Freundin hatte bis dahin noch keine Traumatherapie gemacht. Ich hoffe Sie kann das jetzt tun, aber ich habe durch unbedachte Vorhaltungen, die man unter "normalen" Menschen als normal ansehen könnte - Sie in eine solche Lage gebracht, wie ich es mir niemals vorstellen konnte und im Leben nie gewollt hatte. Jetzt ist unsere Beziehung vorerst beendet, - und das einzige was ich noch tun kann, so glaube ich wenigstens, ist Sie vollkommen in Ruhe zu lassen und nur zu beten. Ich liebe Sie so sehr, und jetzt bin ich augenblicklich auch davon betroffen. WIR sind Alle Opfer, derer die ihre Mitmenschen nicht im geringsten achten und sich an ihren eigenen Kindern vergreifen. Deshalb geht es mich jetzt auch was an.


Jürgen am 12.10.2002:
habe ich auch erlebt .Aber Jesus hat mir da raus geholfen echt wahr kein frommer Spruch. wer will kann mir mal mailen

jesusfreak_wuppertal@gmx.net oder jbockhacker@hotmail.com


Marco am 12.09.2002:
Es wird Zeit das Schweigen zu brechen und Nichtbetroffene für dieses Thema zu sensibilisieren. Das Tabuthema "sexueller Missbrauch" muß gebrochen werden.
Man kann nicht richtig leben und nicht sterben, ohne professionelle Hilfe gelingt es nur wenigen wieder zu leben.
Marco
marco@kinderschreie.de


ElsalinaVogel am 17.08.2002:
Ich bin entsetzt darüber, dass in einer Zeit wie unsere heute ,sexueller mißbrauch immer häufiger geschieht


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